Zum Inhalt springen
Startseite » Für den Tag, für die Woche » Orientierung

Orientierung

Orientierung

"... denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben."

Orientierung

Maastricht

Mein Frau hatte Geburtstag und hatte sich einen Ausflug nach Maastricht gewünscht. Mit dem Auto vielleicht anderthalb Stunden, schönes Wetter, nette holländische Stadt. Nachmittags sind wir über eine Brücke gegangen in Richtung Bahnhof. Auf dem Rückweg sind wir eingehrt und haben Kaffee getrunken und uns ein köstliches Tirsamisu geteilt. Dann wollten wir zu unserem Augto gehen. Ich wußte noch genau, wo wir geparkt hatte. Und ich sagte zu meiner Frau, dass wir in diese Richtung müssten. Sie zeigte genau in die andere Richtung. Ich hatte meine Orientierung verloren. Was war passiert? Als wir in das Lokal gegangen waren, waren wir noch nicht über die Brücke zurückgegangen. Als wir aus dem Lokal kamen, dachte ich, wir wären schon über die Brücke gegangen und auf der Seite der Maas, wo unser Auto stand. Kein Drama! Meine Frau hat mich überzeugt und ich habe meine Orientierung wieder gewonnen. Dieses Erlebnis war eigentlich vergessen.

Sonntag

Die Erinnerung kam mit dem Evangelium vom Sonntag (Markus 6,30-34). Jesus trift auf Menschen, die Orientierung suchen. „… denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben.“ Jesu Lösung ist, sie zu lehren, das heißt ihnen Orientierung zu geben. Da war das verschwundene Thema „Orientierung“.

Orientierung

Orientierung ist eine Fähigkeit, die ich in der Regel als Mensch besitze. Ich bin orientiert in Zeit, Raum und bezüglich meiner Person. Bin ist das nicht, bin ich orientierungslos, desorientiert oder einfach verwirrt. Letzteres macht mir Angst, wenn ich es wahrnehme. Und die Vorstellung möglicherweise ohne Orientierung zu sein oder sie zu verlieren, nimmt mir meine Sicherheit. Als ein m.E. wichtiges Thema.

Wie finde ich Orientierung?

Für die räumliche und zeitliche Orientierung gibt es Hilfsmittel wie Kompass, Landkarte, Uhr, Sonne, Mond und Sterne … Und der Anfang wird gesetzt, wenn ich das Bewußtsein erlange und mir jemand die Orientierung in Raum und Zeit gebt. Raum und Zeit sind für mich konstant, wenn ich nicht körperlich oder mental aus dieser Konstanz herausgerissen werde z.B. Ohnmacht, Krankheit oder Entführung. Anders ist das der Orientierung bezüglich meiner Person.

Meine Orientierung wird durch meine Sozialisation zugrunde gelegt. Durch Beziehung, Erziehung, Förderung meiner Person, Vorbild meiner Eltern, Geschwister, Partner*in, Peergroup, Umwelt. Das sind die prägenden Einflüsse, die ich mehr oder weniger bewußt zulasse. 

Vielleicht gibt es auch eine weitere Orientierung, die in meinen Genen ist, die von Gott mir gegeben wurde, die durch die Geschichte meiner Familie mich geprägt hat. Ob diese Orientierung unabhängig von der Sozialisation ist, ist eine interessante Frage, die ich hier nicht betrachten möchte.

Und dann kommt der Zeitpunkt, wo ich selber die Verantwortung für meine Orientierung übernehme. Auch wenn die Orientierung ausserhalb von mir ist, bleibe ich verantwortlich dafür, dass ich mich für diese Orientierung bzw. für diese Richtung entscheide. Das heißt auch, dass diese Entscheidung immer wieder neu auf den Prüfstand kommt. Was einmal richtig wart, muss nicht richtig bleiben. 

„Und er (Jesus) lehrte sie lange.“ (Markus 6,34) Das mag den Eindruck vermitteln, als wenn Jesus für jeden die Orientierung kenne. Das mag sein, aber es befreit den Einzelnen nicht von der Verantwortung, das gesagte zu überprüfen. Die Verantwortung liegt immer bei dir. Du rettest dich nicht, indem du dich auf eine (höhere) Autorität beruftst. 

Orientierung ist ein lebenslanger Prozess

Ich komme nicht umhin zwei Dinge zu tun. Das eine ist, den Kompass immer wieder hervor zu nehmen und mich neu auf mein Ziel hin auszurichten. Das andere ist, mein Ziel immer wieder zu überprüfen und neu zu bestimmen. Dies gelingt, wenn ich meine Ressourcen wirklich ernstnehme. Es sind meine Gefühle, meine Vernunft, meine Spiritualität, meine Moral, mein Verantwortungssinn, meine Offenheit für Neues oder auch Altes, meine Solidarität bzw. meine Verbundheit mit der Menschheitsfamilie, meine Empathie. Vielleicht ist diese Liste noch zu ergänzen. Orientierung finden ist ein dialektischer Prozess.

Wenn ich Orientierung für mich gefunden habe, fühle ich mich sicher in dieser Welt und schreite sicher und kraftvoll durch Raum und Zeit. Das gilt auch, wenn meine Orientierung keinen Absolutheitsanspruch hat.

©️ Willi Oberheiden 2024

lebensweltwerkstatt
Praxis für Systemische Therapie und Beratung
Familienaufstellung & Spirituelle Begleitung

Willi Oberheiden
Vor dem Dreeser Tor 15
53359 Rheinbach
02226 90 90 466

info@online-exerzitien.de